Für das Bremer Theater bearbeitete Rainer Werner Fassbinder das Stück “Il Bodega del Cafè” von Carlo Goldoni und übernahm zusammen mit Peer Raben die Regie der Uraufführung, die am 10. 9. 1969 stattfand.
"Man kann es nicht erkennen, ob Don Marzio der Kaffee schmeckt. Und dazu ist er auch nicht da, Ridolfos Kaffee, daß er jemand schmecken sollte. Er dient als Vorwand zu Gesprächen. Die sind hier ergiebig, denn es liegt gut, so zwischen Spiel- und Freudenhaus, das Cafe, in dem der Gangster Trappolo bedient. Man sagt, er habe Geld, er selber sagt es auch und tischt so Märchen auf von Goldfund in Arkansas oder Arizona - was weiß ich. Auf jeden Fall wird ihn bald Leander, der sich auswärtig und adelig nennt, an Reichtum übertreffen, denn er setzt seit ein paar Tagen bei Pandolfo auf die Neun und gewinnt das 18fache. Da muß Eugenio, der schöne blonde Junge, so manches Heiligtum erbrechen. Heut sinds die Ohrringe, die er Vittoria als Liebespfand gegeben, von denen eben Marzio berichtet, sie lägen gegen etwas Bargeld hinterlegt bei einem Juwelier. Das hört Lisaura, die mit Graf Leander, der kaum angekommen, schon Gemeinsamkeiten pflegt, und will von diesem sie als Pfand der Treue, die jener wiederum schon einer anderen geschworen hat, vor der er flieht und die jetzt auf der Suche nach ihm ist. Ihr Name ist Placida, doch sie macht zum ersten ein Geheimnis aus dem Leben, während Trappolo das seinige zum Drama macht und unbedacht Don Marzio sein Hab und Gut zu Spekulationen anvertraut. Und Geld, wenn er es einmal hat, vergißt ein jeder gern - zumindest wo ers her hat. Und ist ein guter Mensch, der Kellner, weil er Eugenio aus der Not half, daß er weiterspielen konnte und ihm Vittoria zurückkam, die vorher davon war, weil Eugenio spielte (und nicht einmal gewann).
Diese beiden jungen Leute sähe Pandolfo gern als Erben seines Spielcasinos, denn Schulden stehen ihm bis an den Hals - und Alter sowie Schulden hat er bisher bei Ridolfo mit ein paar Tassen Kaffee hinuntergespült. Nun hat ers satt, wie es Ridolfo satt hat, der hinter seiner Theke sitzt, den Diener dienen und Gott den lieben sein läßt. Denn der hat Wünsche genug gepflanzt, daß Ordnung wächst und Wohlstand. Trappolo wünscht Freundschaft mit Eugenio und zahlt, Leander zahlt und wünscht die alte Herrschaft nur der Männer, alle Wünsche bei Lisaura muß man zahlen, Vittoria wünscht sich Eugenio zurück und ist bereit zu zahlen, mit Arbeit bei Pandolfo, Placida wünscht sich einen, der Flaminio Ardenti heißt - und jeder wünscht sich Ruhe. Was ist bei so viel Wünscht gut, was böse? Auf jeden Fall: der Graf Leander flieht, er heißt Flaminio Ardenti und ist der, den Placida sucht und schließlich findet, Trappolo lebt weiter die Tragödie seines Lebens, Ridolfo zählt den Umsatz nach, den ihm der Kaffee bringt, Don Marzio kann sich jetzt Lisaura kaufen und ist mit und ohne Geld ein guter Mensch, Pandolfo hat Eugenio und der hat Vittoria und diese beiden haben jetzt Pandolfos Spielhaus; jener hat die wohlverdiente Ruhe, dieser hat sein oder irgendeines Geld, jener hat Romantik, Liebe, dieser Treue und Ehrbarkeit. Jeder hat sein Stückchen von der großen Torte, ist zufrieden und trinkt seinen Kaffee bei Ridolfo, wo er auch nicht anders schmeckt als anderswo … "
Fassbinder
Quelle: Programmheft der Uraufführung, Archiv des Bremer Theaters
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