Die Kleinbürgerhochzeit
Ob inspiriert von Karl Valentin oder den Zwischenspielen von Cervantes, Bert Brecht schrieb 1919 den Einakter "Die Hochzeit", dessen Titel später, erst nach der Uraufführung 1926, ergänzt wurde zu "Die Kleinbürgerhochzeit". Gezeigt wird eine Hochzeitsfeier, die in der neuen Wohnung und auf den eiligst selbstgefertigten Möbeln des Paares stattfindet. Am Ende ist die Wohnung ein Schlachtfeld, die Gäste desillusioniert, der Wein getrunken. Insofern ist das Stück «naturalistischer Vorgang als dienliches Mittel zur Demonstration des absurden Seins». Doch in der Form des Einakters, der Zeit, Ort und Handlung als Einheit zeigt, steht nicht das Belehrende der späteren epischen Brechtstücke im Vordergrund. Die Sprache gerät ins Gleiten, die Doppeldeutigkeit und Doppelbödigkeit verselbständigen sich, während noch die Akteure versuchen, eine ihnen letzlich unbekannte Form gesellschaftlicher Konvention zu erfüllen.
«Das Stück behandelt folgende typische bürgerliche Probleme. Erstens die Besessenheit, möglichst alles selber zu machen, was negativ heißt, sich nicht auf andere zu verlassen. […] Zweitens bricht die familiäre Verbindung schon auseinander, ehe sie richtig begonnen hat. Der Freund des Mannes stellt, indem er mit der Braut auf handgreiflich lüsterne Weise tanzt, alle geschworene Liebe und Treue schon vor der Hochzeitsnacht als leeres Gerede bloß - wie andererseits die Ehe auch schon längst «vollzogen» ist und Braut und Bräutigam aich «vor dem Leben» gehörig ausgetobt haben. [ …] - Drittens versammeln sich zur Hochzeitsfeier Menschen, die sich nichts zu sagen haben und deren freundschaftliche oder familiäre Verbindungen keine gefühlsmäßigen Entsprechungen finden. … man redet, um nur keine Pause entstehen zu lassen, man tanzt, um nur irgendetwas zu tun, findet im Grunde aber alles langweilig, hohl und fällt schließlich übereinender her.»
(zitiert aus: Brecht Handuch, Jan Knopf)
Die Kleinbürger sind die »Komödianten einer Weltordnung, deren wirkliche Helden gestorben sind.«
(Marx, MEW I)